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Bildhauer und Maler

Clemens Pasch

Gestaltung und Deutung

CLEMENS PASCH gehört zu den Plastikern unserer Zeit, für die die Gestaltung und Deutung, auch die Wesensbestimmung seiner Mitmenschen das zentrale Thema ist. Er bewahrt das Mitmenschliche. Und wenn er sich insbesondere den Kindern und jungen Menschen zuwendet, dann um die vertrauende Offenheit den anderen gegenüber, die zweckfreie Lässigkeit des Lebenerlebens und von Fragen und Problemen unbeschwerten Daseins uns wieder ins Bewußtsein zu holen. Es ist auch seine Lebensgewissheit, die sich in den Gestalten, in den von Leben erfüllten Statuetten mitteilt. In ihnen ist nicht nur die gestalterische Disziplin, die nuancenreiche Formensprache, die Symbiose von Naturwirklichkeit und Vision, die in den einzelnen Werken ablesbar sind, sondern auch die Intimität der von ihm erlebten Lebensnähe. Um ein Wort Hugo von Hofmannsthals abzuwandeln: „Der Künstler (Mensch) wird in der Welt nur das gewinnen, was in ihm liegt.” Deutlich wird die Bindung des Menschen - des schöpferischen wie des rezipierenden - an die Welt, an die des Geistes und der Sinne, als Maxime zum Ausdruck gebracht. Dieses Eingebettetsein in die - auch sinnlich Erlebbare, sinnenhaft erfüllte - Welt hat Clemens Pasch niemals den Weg in die nur ästhetisch fügsame Abstraktion beschreiten lassen. Auch die Metaphern subjektiver Gestaltpsychologie oder Mythologie konnten sich nicht in seinem - manchen Zeitgenossen allzu irdischen - schöpferischen Weltbild ansiedeln. Nicht, dass er keine Empfindung für das andere gehabt hätte; er vermerkte alles neugierig, wägte das vielgestaltig Gleichzeitige, maß die Kriterien des Lernbaren, des an überlieferte Regeln Gebundenen an dem individuell Verschiedenartigen, schöpferische Visionen und Gestaltungen bewirkenden Wahrnehmungen, Erkenntnissen. Er lebte nie im Elfenbeinturm der reinen, makellosen, ungefährdeten Ästhetik; er unterlegte seinen Bildwerken keine gesellschaftskritischen, bei vielen Zeitgenossen zur gängigen Attitüde gewordenen Theorien; sein Atelier war zu keiner Stunde hermetisch vom Leben abgeschlossen und dem kalkulierenden, konstruierenden Intellekt vorbehalten. Er hatte Stille um sich, nie Einsamkeit. Und er misstraute jenen Skulpturen, jenen Bildern und „Installationen”, die nur durch das Werk begleitende Worte, es erläuternde „Erzählungen” verstehbar werden - Werke, die in sich zusammensinken, wenn die deutenden Worte fehlen. Optisch und gedanklich war ihm nicht fremd, was aus der Mannigfaltigkeit des Gleichzeitigen gebündelt als Zeitstil herausgegriffen wird. Aber dieses war ihm wesensfremd.

Für Clemens Pasch ist Gestalten kein genügsames Tun, es ist ein entscheidendes Handeln, ein Antwortgeben auf Fragen. Überliefertes und Zeitgenössisches finden ihren Nachhall in den einzelnen Figuren. Das Menschenbild war stets Wagnis und Forderung für die Künstler. Es ist das Thema durch die Kulturen, durch die Jahrhunderte. Und das Menschenbild hat sich vielfältig gewandelt. Das Wissen um den Menschen ist differenzierter geworden, die Sinndeutung des Menschen, sein physischer und psychischer, sein spiritueller Lebensraum wurde durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Normtendenzen, durch religiös-ethische Orientierungssuche verändert. Fragen und Antworten - an Phidias wurden sie genauso gestellt wie an Donatello, und jeder gab in seinen Plastiken die ihm und dem Genius der Zeit gemäße Antwort; es war eine andere „Formulierung”, als Gottfried von Schadow sie modellierte; und diese - Zeitwirklichkeit und Klassizität verschmelzende — Antwort wäre den voraus gegangenen Bildhauern unverständlich, dem geistnahen Phidias gleichermaßen wie dem nach atmender Harmonie strebenden Donatello; und zu welcher bildnerischen Eindeutigkeit gelangen Auguste Rodin und Wilhelm Lehmbruck. Jeder von diesen Bildhauern hat seine Antwort auf die Frage nach der Naturwirklichkeit des Menschenbildes gegeben: es sind Gestalten geprägt worden, die der Natur zugehören, aber nicht der Anatomie. Maße, Proportionen, Bewegungen ähneln denen des Menschen, aber sie sind nicht mit ihnen identisch. Gestaltwirklichkeit und optische Erinnerungen, vielleicht auch eigene Körpererfahrungen bestimmen unsere Wahrnehmungen des plastischen Menschenbildes. Und welche differenzierten Antworten geben in unserem Jahrhundert bereits „Schreitender” (1920) von Ernesto de Fiori, „Zehnkämpfer” (1933) von Georg Kolbe, „Schauspieler” (1961) von Gustav Seitz oder „Mann in der Tür” (1969) von George Segal. Jeder dieser Bildhauer hat seine Mitmenschen beobachtet, hat sie wirklich gesehen und verstanden in ihrer persönlichen Würde. Enthalten und bekunden diese Gestalten die „dargestellte, tastbare Wahrheit”, von der Johann Gottfried Herder Ende der sechziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts schreibt und die zu Goethes Maxime überleitet, dass der Mensch der höchste, ja der eigentliche Gegenstand der bildenden Kunst ist (1798). Es ist nicht nur ein Formproblem, dem sich der Bildhauer zuwendet, wenn er die Gestalt des Menschen modelliert oder aus dem Stein schlägt. Jede Gestaltung gibt einen Einblick in das Verhältnis des Künstlers zum Mitmenschen. Es ist nicht nur ein künstlerisches Nebeneinander zweier Figurengruppen, sondern auch ein ablesbarer Ausdruck der distanzierenden Objektivität: zum Beispiel beim Goethe-Schiller-Denkmal von Ernst Friedrich August Rietschel in Weimar (1852- 1856) und der Bronze „Zwei Freunde” von Gerhard Marcks (1936), in denen die Antike durch die Straffung der Körper, die knappe, dem Raum zugewandte Bewegung und die Behutsamkeit der Körperreliefs lebendig bleibt. Es bleibt faszinierend, wie das Menschenbild, das durch die Kulturen und Epochen sich stets auf das gleiche Objekt - den mitlebenden Menschen - bezieht, eine individuelle Gestaltung und Interpretation erfährt, zum Gehäuse von Empfindungen, Erfahrungen und Imaginationen werden kann, in denen sich Formvisionen und Anschauung in Eins vereinen. Und so schreitet das Menschenbild von Zeitform zu Zeitform durch den Reichtum der persönlichen Schöpfungen. Die Künstler, und nur diese unter der Vielzahl der Handwerker für Stein und Holz, Bronze, Ton und Wachs, Gips und Porzellan oder einen der Kunststoffe, sind demütig in der Gewissheit ihrer Freiheit. Nirgends ein „teilnahmloses Beobachten” oder gar „Fühllosigkeit”, wie es um die Jahrhundertmitte als Menetekel für das Menschenbild in unserem Jahrhundert umschrieben wurde. Möglicherweise hat die Innigkeit zwischen der gegebenen Anschauung und der bildnerischen Erscheinung des Menschen die kritische Intelligenz, die ästhetische Erwartung und das Verlangen nach gestalterischer Vollendung die Diskussionen und Wertungen leidenschaftlicher gefördert als dieses für andere Themen, zum Beispiel der Tierdarstellungen, der pflanzlichen Objekte, zutrifft.

Das Werk von Clemens Pasch dient dem Menschen und der Kunst, er rückt nicht nur beiläufiges Verhalten von Menschen, auch Situationskomik wieder in das ernstzunehmende Areal bildnerischer Aussagen, sondern - und auf diese Besonderheit ist nachdrücklich hinzuweisen - er erinnert uns an uns selbst, an Selbsterlebnisse. Und seine Kinder-Statuetten wie auch die Zweiergruppen haben ihre malerischen Gefährten in den Kinderbildern von Fritz Uhde und dem „Haus in der Sonne” (1909) des schwedischen Malers Carl Larsson, der - hierin ist ihm Pasch verwandt - das Leben seiner Kinder schildert. Beide streben nach formaler Ganzheit.

Paul Valery schreibt in einem Essay, den Max Liebermann übersetzte: „Stellen wir uns einmal vor ... die Erscheinung der Dinge, die uns umgeben, wäre uns nicht zur Gewohnheit geworden, sie würde uns nur ausnahmsweise gewährt, wir erhielten nur durch ein Wunder Kenntnis vom Tag, von den Wesen, vom Himmel, von der Sonne und den Menschen. Was würden wir von diesen Offenbarungen sagen, und in welchen Ausdrücken würden wir über diese Unendlichkeit von merkwürdig ausgeglichenen Tatsachen sprechen?”

Clemens Pasch ist der Mensch nie zur Gewohnheit geworden

Clemens Pasch hat von Jugend an gezeichnet und gemalt was er anschauend erlebte. Die Landschaften und Menschen bereicherten sein Wissen von der Welt; sie waren niemals ein optischer Eindruck, den es seiner „Natürlichkeit” zu entheben und in eine vordergründig wirkende, bildnerische Diktion zu übersetzen galt. War die Alltäglichkeit, die Allgegenwart von Natur und Architektur, von Menschen, Pflanzen und atmosphärischen Ereignissen sein Lebensraum, so hat er während der aufmerksamen Studien der Wanderjahre erfahren, mit welchen gestalterischen Mitteln und nuancierenden Details jene Motive, Situationen und Objekte darzustellen möglich war, welche die Anschauung seinen Sinnen zuführte. Seine Lehrmeister waren die Niederländer, sein Vorbild wurde Peter Paul Rubens. Er, der der Sinnenfreudigkeit vielfältige Gestaltung zu geben vermochte, der kein Träumer war, dessen Sinnlichkeit durch die ordnende Intelligenz des Künstlers - nicht eines Malers schlechthin - bildhafte Gültigkeit erlangte, wurde Pasch zum Formerlebnis. Was jener auf der Bildfläche mitteilte, nahm dann Pasch in seinen Plastiken auf; und auch die zahlreichen Zeichnungen, die auf Reisen und später im Düsseldorfer Atelier entstanden, weisen auf die dominierende Kraft des Antwerpeners. Rubens ist ein Vulkan, dessen Gewalt und gefährdender Überschwang, dessen auch betörende Lebensnähe der Nachfahre erkannte. Er entzog sich ihr. Und es ist keine gefällige Attitüde, wenn er seine Statuette „Mädchen aus Geldern” als Hommage ä Peter Paul Rubens bezeichnet, dessen „Pelzchen” ihm ein Inbegriff sinnlicher Malkultur und kostbarer Farbvaleurs war.

Das „Mädchen aus Geldern” steht auf einem Stück Erdreich, das in Blickrichtung der Figur ausläuft, und als sei es moosig bewachsen, den rechten Fuß in sich saugt, während auf der entgegengesetzten Stelle die Standfläche wie eine Welle aufsteigt, Überwachsenes auch hier, die Zehenspitzen ragen gering über die Schräge hinaus. Das klassische Motiv von Stand- und Spielbein ist gewahrt, jedoch wird die Winkelung des Spielbeins durch dessen höher gelegenen Stand kräftiger betont. Die betonte Beckenpartie wird zum „Kugelgelenk”, aus dem die Diagonale des Rumpfes in den Raum stößt; diese Richtungsachse wird durch das leichte Zurücknehmen des nach rechts gewendeten Kopfes abgelenkt und löst sich im flammenden Haarschopf auf. Volumen und Silhouetten dieser Plastik - und das gilt für alle Arbeiten von Clemens Pasch - verbergen die anatomische Richtigkeit, deuten diese an und sind, verstärkt durch unser Wissen, ablesbar gegeben. Dann verschwinden unter dem Eindruck der kompositorischen Harmonie die Lüste des Maßnehmens der anatomischen und der künstlerischen Richtigkeit. Ist es eine Pose, die der Tänzerin geziemt? Der Bajadere? Es ist eine in sich vollendete Plastik. Dem prüfenden Auge entgeht nicht der Richtungswechsel der Volumenachsen, entgeht nicht die eigenwillige Verwandlung des Kontrapostes in dimensionierte Raumverspannungen, die auf Flächen, Winkel und Torsion abgestimmte plastische Komposition. Worauf wir uns auch konzentrieren, und das Rundherum erlaubt zahlreiche Blickpunkte, als läge die Gradeinteilung des Kreises der vertikal in sich ruhenden Figur zugrunde. Es ist eine poetische Plastik.

Denis Diderot, Enzyklopädist, Ästhetik-Philosoph, Verfasser amouröser Dichtungen, schreibt in der Rezension des Pariser Salon von 1763 zu dem Gemälde „Die Grazien von Amor gefesselt” von Carle Van Loo: „. . . Wohl weiß man, dass die Umrisse bei den Frauen sanft sind, dass man kaum die Muskeln unterscheidet und dass all ihre Formen sich runden; aber sie sind nicht kreisrund und ohne Unebenmäßigkeit. Ein erfahrenes Auge wird bei einer Frau von der schönsten Körperfülle die Spuren der Muskeln des männlichen Körpers erkennen; nur sind diese Partien fließender bei der Frau und ihre Grenzen verschmelzen mehr ...” (Übersetzt von Katharina Scheinfuß)

So wie von dem genialen Porzellankünstler Paul Scheurich das Rokoko in die Kleinkunst unseres Jahrhunderts hineingetragen wurde, so entziehen sich die Plastiken von Clemens Pasch nicht der Verzauberung durch die Anmut und Grazie der Kunst des 18. Jahrhunderts. Es sind nicht nur die verehrungswürdigen Bildwerke der Antike, deren Maß und statuarische Erhabenheit dem schöpferischen Menschen eindringlicher als dem Nachahmenden Vorbild sind, denn nur sie erkennen die Skulptur als ein Gefäß des Geistes und der Sinne - es ist auch die sublimierende Entfaltung des im klassischen Altertum gereiften Formen- und Gestaltungs-Kanons durch die empfindsamen Künstler späterer Generationen. Geistesverwandt ist auch das erfindungsreiche Oeuvre des Medici-Künstlers Giambologna, eines gebürtigen Flamen, dessen Statuetten schon damals begehrte Sammelobjekte waren.

Doch blicken wir uns noch einmal das „Mädchen von Geldern” an. Es bedarf keines besonders geschulten Blickes um festzustellen, dass die plastische Gestaltung der vor der Brust gekreuzten Arme und der Brüste eine andere bildnerische Sprache reden als die Figur. Es ist ein betont behutsam modelliertes Relief, fast wie ein Wappen. Die linke Hand liegt auf der rechten Brust, der rechte Unterarm schiebt sich unter den linken Oberarm, die rechte Hand ist geöffnet nach außen und tief gemuldet, eingebettet zwischen Oberarm und Schulterblatt. Kompositorisch stützt diese Arme-Brüste-Situation die vom Körper abwinkelnde Hals-Kopf-Achse. Die lockere, flammende Frisur akzentuiert dieses Relief. Dieses Verschmelzen anatomischer Details mit der bewegt-straff gegliederten und modellierten Form begegnet uns wiederholt im Oeuvre von Clemens Pasch. Hans Wimmer, ebenfalls ein Meisterschüler von Bernhard Bleeker, wie auch Pasch einer bei ihm war, schreibt: „ Das Bewegungsmotiv der Natur ist durchaus nicht identisch mit dem Bewegungsmotiv des Bildhauers.” Pasch verfremdet die Naturwirklichkeit, reduziert oder entfaltet nach den bildnerischen Intuitionen, denen er in seinem Werk bleibende und überzeugende Wirklichkeit geben will. Das Kapriziöse der offenen Hand des „Mädchen aus Geldern” taucht auch auf als lockendes Motiv in der Plastik „Die schöne Marie”, auch „Niederrheinische Venus” genannt. Während der rechte Arm der „Schönen Marie” spitzgewinkelt, die füllige Brust freilassend, zum Gesicht greift, plastisch kaum in Erscheinung tretend, hängt der auf den Rücken gelegte, sich dessen Form völlig einnistende linke Arm herab, nur die nach außen geöffnete Hand ragt inselgleich aus dem Volumen.

Und im „Bildnis Frau B.” ruhen die feingliedrigen Hände in der anonymen Gestalt des verborgenen Körpers, eine Zeichnung, fast illusionistisch die perspektivische Räumlichkeit der linken Hand, gering der Handrücken, die Finger modelliert, die rechte Hand von herber Flächigkeit. Auch hier ein Einsinken und Anheben der Oberfläche, eine geringe Körperlichkeit der linken Brust. Diese kartuschenhafte Formsituation ist aus der Mitte nach rechts geschoben, befindet sich als retardierendes Moment im Sog der Diagonale, die sich vom rechten Rand zum Kopf emporhebt und ihr optisches Ende in der abfallenden Silhouette des Kopfes, der Schulter, des Oberarmes hat. Über dem tektonisch gegliederten Gesicht, den die Augen überdachenden Brauen sitzen die sich wie Wellenkämme überstürzenden, flammenden Haare. Es ist eine friedvolle Stille und Geborgenheit um dieses Bildnis, das keine Nachahmung des Vorbildes ist; es ist vielmehr die steigernde, die konzentrierende Vereinfachung; es entstand ein Werk, dem ein individuelles, ein seelisches Verhalten innezuwohnen scheint. Die Dargestellte ist ganz bei sich, unabgelenkt.

Das Werk dieses Bildhauers wird sich in seiner künstlerischen, seiner geistigen und seiner sinnlichen Reife nur denen erschließen, die die einzelnen Arbeiten zu „lesen” bereit sind, Form für Form Bewegung für Bewegung, Detail für Detail. Schnell verflüchtigen sich dann der mutmaßliche Gleichklang, die Naturalismen. Und man erkennt die gewissenhafte Komposition: die Rhythmen der Bewegungen, die gefestigten Dialoge zwischen Raum und Volumen und die Musikalität der fließenden Silhouetten, deren gleitende Führung auf harmonisierende Weise räumlich getrennte Situationen zu einem organisch Neuen verbinden. Um sich diese partielle Lokalisierung zu verdeutlichen, bedarf es des präzisierenden Blickes; wenn dieser sich den Konturverlauf einprägt, dann springt er streckenweise an die eine und die andere Form gebunden über Intervalle. Die Silhouette ist insbesondere an den stark bewegten Figuren nicht das Ergebnis eines Schnittes durch die Plastik, dem wir seit einigen Jahren als Signum individueller Atelierdialektik begegnen, Scherenschnittassoziation. In den Figuren von Pasch ist die Silhouette, diese unbegrenzbare, erregende, sich stetig um ein Geringes und doch Entscheidendes verändernd, sobald die Plastik von verschiedenen Blickpunkten aus betrachtet wird, ein Ganzes. Die Silhouetten bleiben Leben, bleiben Natur - sie sind kein isoliertes oder bewußt isolierendes, konstruiertes Element. Die Silhouette ist an das plastische Volumen gebunden und gehört auch zum Raum, in dem die Figur steht. Unser Wissen von Körper, Körperbewegung und Gesten ist oftmals geneigt, „Missklänge” der Silhouettenführung zu übersehen, weil wir die Körpergestaltung prüfen. Wie anders wird jedoch unsere Würdigung einer räumlichen Gestaltung, wenn wir uns intensiv mit der Raumsilhouette eines Körpers, deren Rhythmik, deren Ausdruckskraft beschäftigen. Dass Clemens Pasch diese Doppelfunktion der Silhouette beim Modellieren immer im Auge hatte, dass es um deren „Musikalität” und Vollkommenheit ging, ist an vielen seiner Gestalten ablesbar. Darauf beruht das Eingefügtsein der einzelnen Menschenbilder in die Weite des Raumes, dieses organischen Dasein. Und nicht von ungefähr strebt Pasch nach Rundungen, gleitenden Übergängen, nach wellengleichem Anschwellen und Verebben der Buckel und Mulden. Und wenn er, wie es sein Sohn Christoph berichtet, bereits gegossene Arbeiten nochmals zerlegt, auch der Bildhauer Toni Stadler beherrschte diese korrigierende Arbeitsweise, um nur einen Zeitgenossen zu nennen, um die Teile neu zu posieren, dann geschah es auch wegen der Korrespondenz zwischen Volumen und Raum, wegen der in der Nuance anders verlaufen müssenden Silhouette. An diesen Veränderungen einer Bronze zeigt sich, dass Pasch kein Realist ist; denn wenn zum Beispiel die Arme abgesägt und mit einer anderen Raumachse angeschweißt werden, dann wird auf die veränderte Muskulatur keine Rücksicht genommen; es geht um die architektonische Ordnung innerhalb der ganzen Figur. Es geht um die Durchlässigkeit des Volumens

Wenden wir uns der „Barockalen” zu. Und hier besonders der Gestaltung der Schulterpartie, den das offene Haar richtenden Händen, dem Kopf. Es ist das klassische Motiv der Zopf-flechterin, der Sich-Kämmenden. Ob Pasch zu dieser Plastik durch die „Kauernde Haarflechterin” von Karl Albiker angeregt wurde, der eine räumlich architektonische, ruhigere, blockhaftere Statuette gleichen Motivs von Aristide Maillol in seinem Atelier stehen hatte, ist möglich. Clemens Pasch studierte auf Reisen nicht nur die Skulpturen und Malereien in den Museen, die Denkmäler und Brunnen, die Architekturgebundenen Bildwerke; er besaß auch eine umfangreiche Sammlung von Reproduktionen, von Fotografien und Drucken. Mit ihnen beschäftigte er sich, suchte Gewissheit über Komposition und Wirkungen zu erlangen. Es war eine bildnerische und geistige Disziplinierung des eigenen Gestaltens, wenn er die Werke anderer kritisch ergründete. Ihn trieb der Wunsch, den Schaffensprozess selbst zu erkennen, durch Anschauung nicht allein gestalterische Gewissheiten zu erfahren, sondern auch die geistigen und sinnlichen Triebkräfte des Gestaltens. Hans Wimmer formulierte in seiner Rede zum Tode von Bernhard Bleeker (1968), dessen Schüler und Meisterschüler Pasch war: „. . . Die Götter, welche er uns zur Anbetung empfahl, waren die Ägypter, vor allem die Griechen, Donatello, Leinberger, aber auch Lehmbruck und Barlach. In der Klasse hat er oft von Hildebrand und Marees gesprochen, sie waren seine eigentliche Welt. Er fühlte sich als Bewahrer ihres Erbes und wollte dieses Erbe an seine Schüler weitergeben.” Die Klassizisten Thorwaldsen, Schadow und Canova gehörten als Mittler der Antike auch zu jenen, deren Werke Pasch durch die Drucke immer Anlaß zu Gespräch und Studium waren. „Man muß Tag und Nacht über den Meistervorbildern der Griechen und Römer schwitzen”, notierte Canova, „sie ohne Rast noch Ruhe studieren; über ihren Stil sich einen Stil bilden und ihn zu einem eigenen gestalten; dann allein wird man nach dem Ehrentitel eines wahren Nachahmers und Nacheiferers greifen dürfen.” Die intensive Beschäftigung mit der Kunst der Griechen gilt auch heute noch, obgleich in unserem Jahrhundert durch Forschung, Ausgrabungen, Reisen, durch Fernöstliches, Mesopotamien, Afrika, Praecolumbianisches und gegenwärtig durch die Kunst der Inuit das Musee Imaginaire ganz neue Facetten erhalten hat. Und jede Kultur hat ihre innere Ordnung, die sich auch dem abendländischen Künstler zuwendet. Einfühlung bis zur Wiedergeburt des neugierig Betrachteten heißt - im Klassizismus, aber auch in der Epoche des Historismus, damals wie heute - „daß das Auge schauen lernt, wie ihr Auge geschaut hatte, die Hand bilden, wie ihre Hand gebildet hatte” (Hans Hildebrandt).

Doch zurück zur „Barockalen”. Wählen wir nicht die übliche Sicht auf die ganze Figur; die anmutige Körperhaltung, die natürlich wirkende Haltung der Arme, die verhaltene Geste der das Haar vom Gesicht weg in den Raum streichenden Hände, das Gesicht; betrachten wir einmal die Figur von oben, dann schließen sich der in Schulter höhe gehaltene, fast rechtwinklig gebogene linke Arm, die den rechten Arm verbergenden Haare und die Schulter zu einem Viereck, zu einem gering verzogenen Viereck. Der Kopf ist mit seinem Volumen so deutlich über dem rechten Arm, so daß er nicht nur diesen verdeckt - der in der Seitenansicht der Figur ein wichtiges kompositorisches Element darstellt -, sondern zur Schulter und zum linken Arm eine ihm gleichwertige Form der Raumleere schafft. Für die Kunst von Clemens Pasch ist dieses abwägende Zueinandersetzen verschiedener Volumina charakteristisch. Wie sich die räumlich getrennten Unterarme dieser Figur kreuzen, wie die erhobenen Hände sich zum Raum öffnen, wie eine solche plastische Situation durch die Haltung der ganzen Figur vorbereitet wird, das entspricht den Ordnungsvorstellungen dieses Bildhauers.

Anderer Natur sind Erscheinung und Wirkung der „Pomona”. Der klassische Aufbau des Kontrapostes wird gewahrt. Von kräftiger Statur ist das vollbrüstige Weib. Aufrecht und stolz steht es im Raum und schmückt sich mit der Fülle herbstlicher Ernte. Im optischen Gleichklang der Symmetrie hebt Pomona die Girlande von Früchten, Blüten, Blättern, hält sie - umgreifend mit der rechten, stützend mit der linken Hand - empor und legt sie, ihre Schwere ausbalancierend ums Haupt. Es ist ein lang gezogenes Dreieck reich gegliederter und strukturierter, miteinander zur bewegten Masse verschmolzener Formen. Nicht nur diese plastische Lösung als Krönung der Figur beschäftigt uns, viel stärker noch ist es das Gesicht der Pomona. Es ist kein Gesicht, sondern allein eine durch verschiedene vertikale Kerben und Grate belebte Fläche. Es könnte das Antlitz der Gäa, der Mutter Erde sein. Auch diese Personifizierung entspräche der Formphantasie von Clemens Pasch: Gäa, die Früchtebringerin. An den verschiedenen Daphnen wird uns immer die variierende Interpretation der Nymphe beschäftigen: ein liegender Rückenakt, eingebettet in Laubwerk, ein Torso mit Ranken, eine große, armlose Stehende auf einem Baumstumpf, aus dem zwei Hände herauswachsen, kleine Triebe, die sich zur Figur empor öffnen. Das Haar eine ausladende Krone, die das Aussehen eines Nestes angenommen hat. In dieser Figur scheinen - wie in den „Großen Stehenden” der achtziger Jahre jene bildnerischen Qualitäten von Edwin Scharff ein Echo gefunden zu haben, derentwillen er von ihm unterrichtet zu werden strebte: die strömende Bewegung, die ordnende Rhythmik, der Aufwärtssog, das Verschleifen anatomischer Formen, wodurch die Licht-Schatten-Flutung jene Vibration auf der plastischen Form bewirkt, die wir im Hell-Dunkel, dem Sfumato der venezianischen Malerei bewundern.

In einzelnen Figuren wird ein Illusionismus erzeugt, dessen Voraussetzung dem flüchtigen Blick entgeht. „Hennes der Träumer” lehnt sich selbstverloren auf ein Geländer, eine alltägliche und nicht nur kindgemäße Haltung, denn so stehen zuweilen Erwachsene am Zaun - neugierig zuerst, dann unkonzentriert, schließlich abwesend. Hennes hat die Ferse des linken Fußes leicht angehoben und setzt die Zehen dicht hinter die Ferse des rechten, mit dem linken Ellenbogen stützt er sich aufs Geländer und drückt mit der Hand die Ohrmuschel zur Schläfe; ein gut beobachtetes Motiv: der Kopf eines Dösenden, eines Einschlafenden rutscht aus der vorgegebenen Haltung; der rechte Unterarm ruht auf dem Geländer, die Hand baumelt willenlos - dabei von der Noblesse der von van Dyck gemalten Hände. Wie auch andere Plastiken hat die Komposition mehrere Stadien durchlaufen, bevor die letztgültige Gestaltung gelang. Das Geländer gibt dem gertenschlanken Knaben, seiner inneren und körperlichen Haltlosigkeit, dem Traumverlorenen eine Stütze. Und diese Stütze ist feinste Illusion: Wir wissen, daß ein Geländer so verankert und gestützt ist, daß es jenem Sicherheit gibt, der es ergreift, Halt sucht. Aber dieses Geländer ist nur eine horizontale Gerade, stützenlos, schwebend. Clemens Pasch ist es gelungen, diese irrationale Situation in allen ihren Rhythmen so „natürlich” zu gestalten, daß wir die Fragilität des Ganzen, diese Traumwirklichkeit zunächst gar nicht wahrnehmen. Diese Plastik ist auch ein — worauf auch immer sich in der Wirklichkeit berufendes -Zeichen im Raum; diese Plastik deutet mehr an und birgt mehr, als die Anschauung erkennen lässt. Auch diese Figur verdeutlicht dem prüfenden Auge die Ausgewogenheit der Gestaltung und jenes Streben des Bildhauers, eine Identität zwischen der Form und dem inneren Wesen, dem Verhalten des Dargestellten herzustellen.

Auch und gerade jene Plastiken, die Situationskomik enthalten, sind minutiös durchgefeilt, jede Formbewegung, jede Silhouette, jeder Partikel der Objektverschmelzung - Stuhl, Körper - ist ausbalanciert. In „Das kleine Malheur” wird das equilibristische Spiel mit einem Stuhl zur Tragikomödie. Der Stuhl lässt den Menschen nicht mehr los. Und das barocke Stühlchen verschmilzt mit der auf ihm Hockenden. Das „Na und . . .” hat etwas leichtfertig Verführerisches. Die Ellenbogen der auf der Stuhllehne verschränkten Arme werden dann zu Brüsten. Die Fußsohle des unter den Körper gezogenen Beines wächst in die Stuhlpolsterung, der Körper ist in sich gedreht, das durch die Stuhllehne geschobene linke Knie verbindet sich mit deren kantenbetonender Kurvatur.

Hans von Marees schrieb im Juli 1871 an seinen Bildhauer-Freund Adolf Hildebrand: „Seine Freunde zu befriedigen, ist noch lange keine Kunst: die fängt erst an, wo man die Gleichgültigkeit aus ihrer Ruhe aufschreckt. . . Die höchste Schwierigkeit liegt darin, auch andere dahin zu bringen, daß sie unvermerkt Freude an dem bekommen, was einem selbst Spaß macht.” Im Oeuvre von Clemens Pasch liegen alle Möglichkeiten, die mit seinen Plastiken nicht Sympathisierenden, selbst deren Widersacher von der redlichen Arbeit, vom subtilen Komponieren und dem tiefen Respekt des schöpferischen Menschen vor der Natur und der immanenten ordo der Kunst zu überzeugen. Weder motivisch noch bildnerisch hat er es sich leicht gemacht. Pasch war urteilsfähig im weiten Areal der bildnerischen Mitteilungen, der Anschaulichkeit des Gestalteten, der den Flug der Imaginationen zügelnden Abstraktionen. Vordergründig sind diese nie und fordern nicht das intellektuelle, kritische Diagnostizieren des Anschaulichen. Das Anschauliche ist die Kreatürlichkeit, das Allsichtbare. Die Mannigfaltigkeit der formprägenden, formerfüllenden bildnerischen Mittel hält sich im Verborgenen. Nicht nur die Schönheit liegt im Auge des Betrachtenden, nicht nur der Grad ästhetischer Lust; Gegenwärtigkeit und Wirkung der Kunst erschließen sich dem unvoreingenommen betrachtenden Auge, den Sinnen und dem Bewusstsein.

Das Oeuvre von Clemens Pasch ist inmitten zahlreicher Bildwerke unserer Gegenwart ein volltönender Klang, es ist keine Beiläufigkeit, sondern ein Dokument.

Werk, Wertung, Wirkung . . . Friedrich Schiller schreibt Ende Mai 1799 an Goethe: „. . .Wüssten
es nur die allzeit fertigen Urteiler und die leicht fertigen Dilettanten, was es kostet, ein ordentliches Werk
zu erzeugen.”

                                                                     Ulrich Gertz

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